Am Anfang und am Ende neuer Forschung sollte ein systematischer Review stehen

Der Bericht über eine Studie [20], in der die Wirkungen von Steroiden bei akuten traumatischen Hirnverletzungen untersucht wurden, ist beispielhaft dafür, wie die vier obigen, von Bradford Hill formulierten Fragen adressiert werden können: Als Grund für die Durchführung der Studie gaben die Autoren an, dass ihr systematischer Review der vorhandenen Belege sowie der Hinweis auf Unterschiede in der klinischen Anwendung dieser Therapie relevante Unsicherheiten über die Wirkungen dieser weit verbreiteten Therapie ergeben hatte. Ihren Angaben zufolge wurde das Studienprotokoll zu Beginn der Studie registriert und veröffentlicht.

Des Weiteren beschrieben sie, dass sie, um systematische Fehler zu minimieren und Zufallsfaktoren zu kontrollieren, eine hinreichend große Anzahl von Patienten untersucht hatten. Ihren Angaben zufolge erbrachte die Studie den Nachweis, dass die Verabreichung von Steroiden an Patienten mit schweren Hirnverletzungen die Sterbewahrscheinlichkeit bei diesen Patienten erhöhte.

Autorenhinweise der Herausgeber der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» zur Einordnung von Forschungsergebnissen in den jeweiligen Kontext
Systematischer Review: In diesem Abschnitt sollten die Autoren ihre Suche nach der gesamten vorhandenen Evidenz beschreiben. Sie sollten auch angeben, wie sie die Qualität dieser Evidenz bewertet haben – d. h., wie sie die Evidenz ausgewählt und zusammengefasst haben.

Interpretation: Hier sollten die Autoren angeben, inwieweit ihre Studie die vorhandene Evidenz bereichert, wenn man sie im Lichte schon durchgeführter Forschungsarbeiten betrachtet.

«In allen ab dem 1. August eingereichten Forschungsberichten – randomisiert oder nicht – … sind die Ergebnisse im Abschnitt ‹Diskussion› in den Gesamtzusammenhang der verfügbaren Evidenz einzuordnen.»

Clark S, Horton R. Putting research in context – revisited. Lancet 2010; 376: 10–11.

Und schließlich machten sie dem Leser, was besonders wichtig ist, sämtliche Ergebnisse zugänglich. Indem sie ihre ursprüngliche systematische Übersichtsarbeit über frühere Studien mit den neuen Erkenntnissen ihrer eigenen Studie aktualisierten, schafften sie die Grundlage dafür, Tausende der durch diese weit verbreitete Therapie verursachten Todesfälle zu verhindern.

  • Eine einzelne Studie liefert nur selten genügend Belege, um bei der Entscheidung über Behandlungsoptionen im Gesundheitswesen eine Orientierungshilfe geben zu können.
  • Bewertungen der jeweiligen Vorzüge verschiedener Behandlungsoptionen sollten sich auf systematische Übersichtsarbeiten aller relevanten und zuverlässigen Erkenntnisse stützen.
  • Wie auch in einzelnen Studien, in denen Therapien getestet werden, müssen für einen systematischen Review entsprechende Schritte unternommen werden, um den irreführenden Einfluss von systematischen Fehlern und Zufallsfaktoren einzugrenzen.
  • Die Nichtberücksichtigung der Ergebnisse systematischer Reviews führt zu eigentlich vermeidbaren Schäden bei Patienten und im Gesundheitswesen und in der Gesundheitsforschung zur Vergeudung von Ressourcen.