Moderate Behandlungseffekte: normal und nicht ganz so offensichtlich
Die meisten Therapien haben allerdings keine so dramatischen Effekte. Um sie genau einzuschätzen, bedarf es fairer Tests. Gelegentlich kommt es auch vor, dass eine Therapie unter bestimmten Umständen eine dramatische Wirkung entfaltet, in anderen Situationen dagegen nicht.
Auch wenn die Wirksamkeit von Vitamin B12 zur Behandlung der perniziösen Anämie (s. o.) unbestritten ist, wird bis heute darüber diskutiert, ob die Patienten vierteljährliche oder häufigere Injektionen benötigen. Diese Frage wird man nur mithilfe von sorgfältig kontrollierten Tests und durch Vergleich der einzelnen Optionen beantworten können. Ein weiteres Beispiel ist der Hüftgelenkersatz, durch den es zu einer dramatischen Schmerzlinderung kommt. Die jeweiligen Vorzüge der verschiedenen Typen von künstlichen Hüftgelenken sind dagegen nicht so offensichtlich, können aber dennoch relevant sein: So unterliegen einige Kunstgelenke einem schnelleren Verschleiß als andere. Auch im Zusammenhang mit der Lasertherapie von Portweinmalen (s. o.) können wir noch viel lernen. Diese Behandlung gilt zwar nach wie als der «Goldstandard», doch wird weiterhin darüber geforscht, warum manche Hautmale nach einigen Jahren wieder nachdunkeln und welche Auswirkungen die verschiedenen Typen von Lasern haben: Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der Kühlung der Haut während des Eingriffs. [9, 10]
Und während die Gabe von Aspirin unmittelbar bei der Diagnosestellung das Sterberisiko von Herzinfarkt-Patienten erheblich senkt, so hängt die Antwort auf die Frage, ob die Einnahme von Aspirin im Hinblick auf die Herzinfarkt- und Schlaganfallprävention mehr schadet als nützt, doch auch davon ab, ob die Patienten an einer zugrunde liegenden Herz-Kreislauf- (kardiovaskulären) Erkrankung leiden. Die Vorteile (Senkung des Risikos für Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär bedingten Tod) müssen gegen die Risiken (insbesondere den durch Blutungen in das Gehirn verursachten Schlaganfalltyp sowie gastrointestinale Blutungen) abgewogen werden. Bei Patienten, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, wiegen die Vorteile des Medikaments eindeutig schwerer als seine Risiken. Bei ansonsten gesunden Menschen dagegen wird das Blutungsrisiko nicht eindeutig durch die mit Aspirin verbundenen Vorteile aufgewogen (s. Kap. 7). [11]